Covid-19 – Sommer 2020: Wir wollen eigentlich alle weg, in die Ferne und bleiben doch am Baggersee, auf dem Balkon oder wer nicht einmal diesen hat, vertreibt sich die Urlaubszeit im Park, hält sich auf schattigen und einsamen Friedhöfen auf oder besucht nach Monaten der Abstinenz die lieben Verwandten auf dem Land oder in der Stadt. Die Sommerbäder sind ja auch geschlossen, so heißt die Devise: „Durchhalten!“.
Robin und Billy
Das Paar Robin und Billy in der Großstadt lebend, überlegt wie so viele Familien im Sommer 2020, wie sie ihre Ferien gestalten wollen. Sie haben zwei schulpflichtige Kinder im Alter von 9 und 12 Jahren, die Wochen im Homeschooling waren für alle Beteiligten nervenaufreibend, wenn nicht sogar die Hölle. Sie überlegen: „Oder vielleicht doch verreisen? Nur ein paar Tage. Die Nachbarn haben sich doch auch getraut und nichts ist passiert. Das haben wir uns nach dem Lockdown, dem Home-Office, dem Schlange stehen nach Toilettenpapier und dem ganzen Stress verdient“.
Wieder zuhause, Robin im Schamgefühl
Nach Langem hin und her, werden die Koffer gepackt und ab geht es in den Süden. Vor Ort am Meer, wird das Gewissen ausgeschaltet und sich gegenseitig bestätigt, es sei die richtige Entscheidung gewesen, „Schau dir doch die Kinder an, sie sind auch viel entspannter.“ Nach zwei Wochen geht es zurück in die Heimat, innere Unruhe und ein scheußliches Gefühl macht sich bei Robin bemerkbar. Da ist diese Emotion, die nicht richtig zu fassen ist. Robin beschreibt ein Gefühl, sich ertappt zu fühlen, etwas Unrechtes getan zu haben und befürchtet in der Konsequenz nichts Gutes. Robin wünscht sich, dass sich das Gefühl von selbst negiert und dadurch verschwindet. Real werden allerdings Zweifel lauter, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, „Was wird sein, wenn wir uns angesteckt haben?“ Robin beschäftigt sich gedanklich mit der Zukunft und hat Angst, vor weiterer Beschämung.
Es wird vorerst nicht besser, denn alle Vier haben sich mit dem Covid-19 Virus infiziert und müssen in die Quarantäne – glücklicherweise hat niemand starke Symptome.
Robin im Schuldgefühl
Aus dem schlechten Gewissen wächst zunächst ein leises Schuldempfinden, Robin führt einen inneren Dialog und stellt sich Fragen zur nahen Vergangenheit. „Wären wir nur nicht verreist.“ „War ich egoistisch und verantwortungslos?“ Ein Gefühl von Reue wächst. Robin weiß, die Situation ist nicht rückgängig zu machen, der Wunsch darüber zu sprechen und nach Wiedergutmachung verschafft zumindet Erleichterung. Selbstregulation stabilisiert Robin und führt zur Distanzierung vom Ich. Allerdings streiten Robin und Billy immer häufiger und es kommt zu emotionalen Ausbrüchen, Robin leidet vermehrt unter Migräne, die Sexualität ist ebenfalls betroffen, in der Folge führt dies zu emotionalen Rückzug bei Robin.
Billy
Billy lebt nach dem Leitspruch: Sapere Aude – frei nach der Übersetzung aus dem lateinischen: „Wage es zu wissen.“ (Kant machte dieses alte lateinische Sprichwort 1784 populär. „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“)
Billy ist tendenziell rebellischer als Robin und trifft Entscheidungen aus Überzeugung nachdem diese mit Bedacht und sorgfältig und vernünftig analysiert wurden – es wird gedacht und bewusst der Verstand eingesetzt. Billy denkt frei und hinterfragt die Dinge, glaubt zuerst einmal nicht alles, was gesagt wird. Die Maßnahmen der Pandemie wurden daher zwar ernst genommen und akzeptiert, aber Billy war der Meinung, selbst überprüfen zu wollen, wie sich die Entscheidung zu reisen auswirkt.
Da sich der Gesundheitszustand aller vier Familienmitglieder während der Quarantäne und danach nicht verschlechterte, die Quarantänezeit auf reguläre 14 Tage beschränkt blieb, könnte geschlussfolgert werden, dass Billys Entscheidung bzgl. der Gesundheit aller positiv ausging.
Aber, was bedeutet diese Extremsituation wie die Pandemie für ihre Zweierbeziehung?
Bindungsmuster
Billy ist aufgrund der Erfahrungen in der Kindheit bzgl. der Bezugspersonen sicher gebundenen. Zwischen den Eltern und Billy erfolgte eine fürsorgliche, verlässliche und liebevolle Kommunikation, insbesondere in den ersten Monaten mit viel Körper-und Blickkontakt. Billy lernte positive und negative Emotionen auszudrücken um Zuwendung, Hilfe und/oder eine Reaktion zu erhalten.
Robins Bindungsmuster lässt sich als unsicher gebunden einordnen; Bedürfnisse nach Zuwendung der Bezugspersonen blieben unerfüllt. Die Erfahrung bei Wut und Aggression nicht beachtet zu werden, keinen Kontakt mit der Bezugsperson aufbauen zu können, führte dazu, dass Robin um Zuwendung zu erhalten, negative Gefühle unterdrückte, um der Außenwelt zu gefallen und die Erwartungen zu erfüllen. In der Folge entwickelte sich Robins Selbstbild weniger stark und weniger selbstbewusst – die Umwelt und Personen wurden frühzeitig als feindlich erlebt, was sich in den Interaktionen zeigt.
Paardynamik
Partnerschaftlich führte es zwischen den Beiden zu vermehrten Streitereien und insbesondere Robin leidet auch körperlich unter der Situation und ist aktuell instabil. Beide wollen frühzeitig und aktiv ihre Beziehungskrise bearbeiten und dadurch eine Abwärtsspirale in den Sog einer Trennung verhindern. Als erste Intervention entschieden sich beide dafür, 1x wöchentlich ein Zwiegespräche zu führen. Schon nach den ersten Zwiegesprächen, wird sich die Kommunikation verändern, was sich positiv auf die Partnerschaft auswirkt – gegenseitiges Verständnis und Vertrauen können wieder aufgebaut und gelebt werden.
Fünf Formen des Schamgefühls
In der Bearbeitung von Schamgefühlen ist es nützlich, differenziert herauszufinden, welche Form des Schamgefühls vorliegt. Scham ist ein Regulator zwischen der Gesellschaft und dem Ich, sowie für die eigene Persönlichkeit.
Es werden fünf Formen von Scharm unterschieden*:
- Anpassungs-Scham
- Gruppen-Scham
- Empathische-Scham
- Intimitäts-Scham
- Gewissens- oder moralische Scham
*Literaturhinweis: Scham – die tabuisierte Emotion, Dr. Stephan Marks,
Die Coronavirus-Pandemie führt ganz sicher zu einer erhöhten Belastung in Partnerschaften.
Viele Paare waren gezwungen über Wochen mehr Nähe zu ertragen und Einschränkungen Stand zu halten. Im Einzelfall führte dies angesichts individueller Lebenssituationen vermehrt zu einem Gefühl von Unsicherheit, Furcht vor Ansteckung und Zukunftsängste.
Nehmen Sie gern Kontakt mit mir auf.
Herzlichst, Ivonne Pomplun!
Neueste Kommentare